GEWALTTÄTIGES VERHALTEN DER MÄNNER UND EPIGENETIK
Der indische Essayist und Schriftsteller Pankaj Mishra, 53, ist eine der wichtigsten Stimmen des ärmeren Teils der Welt. Seine Bücher »Butter Chicken in Ludhiana« und »Zeitalter des Zorns« sind Weltbestseller. Er erinnert an:
„Im September 1919 besetzte der italienische Dichter Gabriele D’Annunzio, begleitet von 2000 italienischen Meuterern, die an der Adria gelegene Stadt Fiume. Der Schriftsteller und Kriegsheld, einer der berühmtesten Europäer seiner Zeit, hatte bereits seit langem alle Gebiete einnehmen wollen, die in seinen Augen immer schon Teil von „Mutter Italien“ waren. 1911 hatte er voll Eifer die italienische Invasion in Libyen unterstützt, eine Expedition, deren brutale Grausamkeit in der gesamten muslimischen Welt Empörung auslöste. Angesichts der chaotischen Zustände am Ende des Ersten Weltkrieges und des Zusammenbruchs der früheren Herrscher dieser Region witterte D‘Annunzio eine Chance, seinen Traum von der Erneuerung italienischer Männlichkeit durch Gewalt zu verwirklichen.
Als „Duce“ des „Freistaats Fiume“ entfaltete D’Annunzio eine von reißerischen Reden und großspurigen Gesten geprägte Politik. Er erfand den Gruß mit dem ausgestreckten rechten Arm, den später die Nazis übernahmen, und entwarf unter anderem schwarze Uniformen mit Totenkopf und gekreuzten Kochen. Wie besessen sprach er über Märtyrertum, Opfer und Tod. Benito Mussolini und Adolf Hitler, damals noch unbekannte Leute, studierten eifrig die pseudoreligiösen Reden, die dieser kahlgeschorene Mann tagtäglich auf seinem Balkon vor seinen in schwarze Hemden gekleideten „Legionäre“ hielt, bevor er sich zu seinen jeweiligen Sexualpartnern zurückzog.
Eifrige Anhänger, testosterongesteuerte Teenager ebenso wie dogmatische Sozialisten, strömten aus so fernen Ländern wie Irland, Indien und Ägypten herbei, um sich dem erotisch-militärischen Karneval in Fiume anzuschließen. In ihren Augen schien das Leben, von seinen alten Regeln befreit, ganz neu zu beginnen: ein reines, schöneres und echteres Dasein.
Mit wachsenden sexuellen Begierden und zunehmendem Größenwahn begann D’Annunzio, sich als Führer einer internationalen Erhebung aller Unterdrückten zu fühlen. Doch in der Realität war dieser aus einfachen provinziellen Verhältnissen stammende Mann, ein Parvenü von kleiner Statur, der sich den Anstrich eines Aristokraten gab, nicht mehr als der opportunistische Prophet einiger zorniger Außenseiter in Europa. Diese nahmen sich als bedeutungslos wahr in einer Gesellschaft, in der das Wirtschaftswachstum nur eine Minderheit zugutekam und die Demokratie lediglich ein Spiel war, das die Mächtigen manipulierten“.
Rückblickend kristallisierten in D‘Annunzios Fiume-Revolte zahlreiche Themen, die unsere eigene weltweite Unruhe ebenso kennzeichnen, wie seine spirituell erregte Zeit: die zwiespältige Emanzipation des menschlichen Willens, die Herausforderungen und Gefahren der Individualität, die Sehnsucht nach einer erneuerten Verzauberung, die Flucht vor der Langeweile, irrwitziges utopisches Denken, die Politik der direkten Aktion und der Wunsch nach Bewegungen mit strengen Regeln, charismatischem Führern und der Kult erlösender Gewalt.
Mit ihrer „Verachtung für die Frauen“ formulierten er und seine futuristischen Bewunderer eine frauenfeindliche Herrschaftsphantasie, die rassische und kulturelle Chauvinisten heute schamlos verbreiten. In einer fröhlichen Ästhetisierung der Politik skizzierte dieser Vorläufer der heutigen Live-Stream Aktivisten ein wahrscheinliches Endspiel für eine Welt, in der die Selbstentfremdung der Menschheit, „jenen Grad erreicht der sie ihre eigene Vernichtung als ästhetischen Genuss ersten Ranges erleben lässt“ (Walter Benjamin).
STUDIEN ZU NIEDRIGER MAO A-AKTIVITÄT IN VERBINDUNG MIT GEWALTTÄTIGEM VERHALTEN DER MÄNNER UND FRÜHZEITIG TRAUMATISCHEN EREIGNISSEN
Studien zeigten, dass ein funktioneller Polymorphismus im Promotor-Gen der Monoamin-Oxidase A (MAO A), den Zusammenhang zwischen der Notzeit im frühen Leben und einem erhöhten Risiko für Gewalt und unsozialem Verhalten im Erwachsenenalter vermittelt.
In der Studie von Alexander M. Vaisermanet al. wurde gezeigt, dass die körperliche Aggression bei erwachsenen Männern, die frühzeitig traumatischen Ereignissen ausgesetzt waren und das Allel mit niedriger MAO A-Aktivität (MAO A-L) trugen, höher war.
Die Notzeit der Mutter in der Schwangerschaft konnnte mit neurobehavioralen und kognitiven Dysfunktionen bei Nachkommen in Verbindung gebracht werden.
Brunner Syndrom – Punktmutationen im MAO A-Gen oder an seinem Promoter können die Aktivität der MAO A bis zu 10-fach verändern, sogar zum völligen MAO A-Ausfall führen, mit Folgen gesteigerte Aggressivität und kriminellem Verhalten.
Es wurde festgestellt, dass ein funktioneller Polymorphismus in der Promotorregion des Monoamin-Oxidase A (MAO A)-Gens mit einem breiten Spektrum antisozialer Phänotypen, einschließlich körperlicher Gewalt, assoziiert ist. Gleichzeitig ist bekannt, dass kriminelle Gruppenmitglieder einige der schwersten Gewalttäter darstellen. Männliche Träger von Allelen mit geringer MAO A-Aktivität sind gefährdet, Teil solcher Gruppierungen zu werden und im Zuge dessen, Waffen in einem Kampf einzusetzen.
Übereinstimmende Beweise zeigen, dass Monoamin-Oxidase A (MAO A), das Schlüsselenzym, welches den Abbau von Serotonin (5-Hydroxytryptamin; 5-HT) und Norepinephrin (NE) katalysiert, ein primärer Faktor in der Pathophysiologie von unsozialem und aggressivem Verhalten ist. Dementsprechend zeigen männliche MAO A- defiziente Menschen eine extreme Prädisposition für aggressive Ausbrüche als Reaktion auf Stress.
Ihr
Eduard Rappold
Als Gründer und Inhaber von NUGENIS GmbH habe ich als Arzt ein besonderes Interesse an der Gesundheit und Gesundheitsvorsorge.
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