Eine andere Gegenwart: Oslo erleben

Ich war nur wenige Tage dort – und doch hatte ich das Gefühl, in eine andere Gegenwart zu reisen. Eine Gegenwart, die anders funktioniert, leiser vielleicht, aber auch klüger.
Oslo – Hauptstadt eines Landes, das Wohlstand nicht als bloße Anhäufung von Geld versteht, sondern als Gestaltungsmöglichkeit. Und es nutzt diese Möglichkeit – sichtbar, spürbar, selbstverständlich.

Eine Stadt wie ein Versprechen

Schon bei der Ankunft wird klar: Hier läuft vieles anders – aber nichts wirkt künstlich.
Wenig Autoverkehr, aber modernste öffentliche Verkehrsmittel. Saubere Straßenbahnen, funktionale Bahnhöfe, freundliche Stimmen statt hektischer Ansagen.
Bargeldloser Zahlungsverkehr, so konsequent wie unaufdringlich.
Und an fast jeder Ecke: italienischer Kaffee, handwerklich hergestelltes Eis, Cafés mit Sinn für Details – und mit einer Vorliebe für klassische Thonetstühle.
Nichts ist überladen, nichts prätentiös. Stattdessen: ein stilles urbanes Lebensgefühl ohne Lärm, ohne Angeber-Ästhetik. Design als Haltung – nicht als Pose.

Funktion und Gestaltung – kein Widerspruch

Was mich beeindruckt hat, ist nicht der Luxus, sondern die kluge Schlichtheit. Sogar der Flughafen überrascht mit einem Holzboden – eine fast zärtliche Geste an den Reisenden: Willkommen, wir denken nachhaltig.
Die Neubauten – vom Neuen Nationalmuseum, das Astrup Fearnley Museum für moderne Kunst, das Opernhaus über das neue Munch-Museum bis zur Deichman-Bibliothek – strahlen Zugänglichkeit statt Abschreckung, Eleganz statt Gigantismus aus.

Letztere, die Deichman-Bibliothek, ist ein besonderer Ort: lichtdurchflutet, offen, architektonisch durchdacht – und doch vollkommen dem Buch verpflichtet.
Zwischen Literaturklassikern und Sachbuchneuheiten entdecke ich zu meiner Überraschung ein Regal mit Büchern von Nessa Carey, der britischen Epigenetikerin, die populärwissenschaftlich über die Plastizität des Erbmaterials schreibt.

Ein Moment der Resonanz: Wissenschaft, Architektur, Öffentlichkeit – vereint an einem Ort, der weder elitär noch funktionalistisch wirkt, sondern einladend, durchlässig, menschlich.

Norwegen denkt weiter – ökologisch und langfristig

Was Oslo ausstrahlt, ist kein Zufallsprodukt. Es ist das Ergebnis einer politischen Kultur, die Zukunft nicht als Event, sondern als Verantwortung versteht.

Und das spürt man: Die Menschen wirken entspannt, zugewandt, nicht gehetzt von sozialem Vergleich. Das Ich steht nicht ständig im Wettbewerb mit dem Anderen.

Norwegen ist paradox: Es exportiert Öl – und zählt gleichzeitig zu den grünsten Ländern Europas.
Wie passt das zusammen? Der Schlüssel liegt in der Trennung von Einnahmequelle und Investitionslogik.
Der riesige Staatsfonds – gespeist aus Öleinnahmen – wird nicht in fossile Projekte gesteckt, sondern in nachhaltige, ethisch geprüfte Anlagen weltweit.

Im Inland dominiert Elektromobilität.
Strom stammt nahezu vollständig aus Wasserkraft.
Und das langfristige Ziel ist klar: Postfossile Transformation, nicht nur in Worten, sondern in Infrastruktur und Stadtplanung.

Oslo als Modell: Was Wohlstand wirklich bedeuten kann

Was ich in Oslo erlebt habe, lässt sich schwer messen – aber es lässt sich fühlen:
Eine Stadt, in der Wohlstand nicht bedeutet, mehr zu besitzen, sondern besser zu leben.

  • Weniger Stress, mehr Struktur.

  • Weniger Statussymbole, mehr öffentliche Schönheit.

  • Weniger Konkurrenz, mehr Vertrauen.

In Zeiten, in denen vielerorts das Vertrauen in die Zukunft schwindet, zeigt Norwegen:
Zukunft muss nicht schrill sein. Sie kann auch leise, gelassen und gut organisiert sein.

Ist Oslo metamodern? Eine Stadt zwischen Pragmatismus und Tiefe

Wenn wir unter Metamoderne eine Haltung verstehen, die zwischen Ironie und Ernst, zwischen Rationalität und Sehnsucht, zwischen postmoderner Dekonstruktion und neuer Sinnsuche oszilliert – dann ist Oslo vielleicht eines der stillen, realweltlichen Beispiele dafür.

> Funktionalität und Bedeutung – kein Widerspruch

Oslo denkt Gestaltung nicht nur als Funktion, sondern auch als Ausdruck.
Die Neubauten – Opernhaus, Munch-Museum, Deichman-Bibliothek – sind klar, zugänglich, menschenfreundlich.
Sie zelebrieren nicht Monumentalität, sondern Verhältnismäßigkeit. Und genau darin liegt metamoderne Tiefe: Sinn durch Stille, Verantwortung durch Gestaltung.

> Technologie als Mittel, nicht Selbstzweck

Bargeldloser Alltag, Online-Tickets, effiziente Mobilität – alles hochdigital, aber nicht entkoppelt vom Menschlichen.
Die Technik übernimmt Organisation, aber nicht die Beziehung.
Das Digitale wird in Oslo nicht als Spektakel, sondern als strukturierende Selbstverständlichkeit begriffen. Auch das ist metamodern: Zukunft ohne Zukunftsverliebtheit.

> Gesellschaft als Möglichkeit, nicht als Markt

In Norwegen wird nicht nur gut organisiert – es wird sozial gegengesteuert, wo der Markt versagen würde.
Gleichheit, Bildungsgerechtigkeit, Umweltverantwortung – das sind keine PR-Floskeln, sondern gelebte Politik.
Und dennoch: Man tut es ohne moralischen Hochmut, sondern mit leiser Konsequenz. Genau darin liegt metamoderne Qualität: Komplexität bejahen, ohne zynisch zu werden.

> Ästhetik des Echten

Selbst die Cafés spiegeln etwas davon: Thonetstühle statt Möchtegern-Industriedesign, echtes Eis statt algorithmischer Foodtrend.
Man spürt in vielen Dingen eine Rückbesinnung auf das Einfache, aber nicht Simplifizierte – auf das Schöne, aber nicht Kitschige.
Das ist typisch metamodern: Zwischen Authentizität und Reflexion, ohne in Retro oder Ironie zu verfallen.

Oslo als gelebte Metamoderne?

Oslo ist keine Theorie. Es ist kein Manifest, kein Label, kein Kunstprojekt.
Aber vielleicht liegt genau darin seine Stärke:
Die Stadt denkt und handelt metamodern, ohne es auszusprechen.
Sie balanciert zwischen Gegensätzen, integriert Widersprüche, lebt Verantwortung ohne Pathos – und Gestaltung ohne Größenwahn.

Wenn die Metamoderne die Kunst ist, ernst zu meinen, ohne naiv zu sein, dann ist Oslo – ja, vielleicht – eine ihrer stillen Hauptstädte.

Fortschritt ist ein Kulturakt

Oslo hat mir vor Augen geführt, was möglich ist, wenn Geld nicht zur Gier, sondern zur Gestaltung genutzt wird.
Wenn Politik nicht populistisch, sondern langfristig denkt.
Wenn Städte nicht Renditeobjekte, sondern Lebensräume sind.

Vielleicht ist das größte Versprechen dieser Stadt:
Dass Fortschritt nicht laut sein muss – nur sinnvoll.

Ihr

Eduard Rappold

Copyright © Eduard Rappold 2025

Dr. Eduard Rappold, MSc ist ein erfahrener Forscher und Arzt, der sich seit Jahrzehnten für geriatrische PatientInnen einsetzt. In seinem Bemühen für Alzheimer-Erkrankte eine immer bessere Versorgung zu ermöglichen, wurde er 2003 mit dem Gesundheitspreis der Stadt Wien für das Ernährungszustandsmonitoring von Alzheimer-Kranken ausgezeichnet. Im Zuge seines Masterstudiums der Geriatrie hat er seine Entwicklung des Epigenetic Brain Protector wissenschaftlich fundiert und empirisch überprüft. Im September 2015 gründete er NUGENIS, ein Unternehmen, mit dem er Wissenschaft und Anwendung zusammenbringen möchte. Damit können Menschen unmittelbar von den Ergebnissen der Angewandten Epigenetik für ihre Gesundheit profitieren. Mit dem Epigenetic Brain Protector hat Dr. Eduard Rappold, MSc bereits für internationales Aufsehen gesorgt – auf der international wichtigsten Innovationsmesse, der iENA, wurde er 2015 mit einer Goldmedaille für hervorragende Leistungen zum Schutz vor Neurodegeneration ausgezeichnet. Auf den Webseiten nugenis.eu, epigenetik.at, spermidine-soyup.com und facebook.com/nugenis können Themen zur Epigenetik und Aktuelles nachgelesen werden.