Der „Gaswagen“ am Steinhof – Brutalität und Inhumanität der NS-Medizin und epigenetische Veränderungen nach schwerem Trauma

Die Heil- und Pflegeanstalt „Am Steinhof“ (heute Otto-Wagner-Spital) war in der NS-Zeit eine der größten psychiatrischen Einrichtungen Europas und wurde zum Schauplatz systematischer NS-Medizinverbrechen. Hier wurden Tausende psychisch kranke, behinderte und als „asozial“ eingestufte Menschen interniert, misshandelt und ermordet.


1. Organisation und Funktion des Steinhofs im Nationalsozialismus

  • „Am Steinhof“ war eine der zentralen Anstalten Österreichs für die Durchführung der NS-Euthanasieprogramme.
  • Die Patienten wurden nach ideologischen Kriterien selektiert, viele als „lebensunwert“ eingestuft und systematisch ermordet.
  • Die Heil- und Pflegeanstalt war in mehrere Pavillons unterteilt, darunter:
    • Pavillon 15: Kinderabteilung („Spiegelgrund“) – Zentrum der Kinder-Euthanasie.
    • Pavillons für erwachsene Patienten, in denen selektiert, misshandelt oder für Deportationen vorbereitet wurde.

2. Lebensbedingungen der Patienten

Die Unterbringung der „Patienten“ war geprägt von überfüllten Stationen, unzureichender Versorgung und bewusster Vernachlässigung.

a) Überfüllung und katastrophale Hygienebedingungen

  • Nach der Übernahme durch die Nazis wurden Patientenzahlen erhöht, während Personal und Ressourcen reduziert wurden.
  • Viele Stationen waren völlig überfüllt, mit bis zu sechs Patienten pro Bett oder Menschen, die auf dem Boden auf Stroh schlafen mussten.
  • Hygienische Verhältnisse waren katastrophal – Läuse, Krankheiten und Infektionen verbreiteten sich rasch.

b) Systematische Mangelernährung und Hunger als Mordmethode

  • Lebensmittelrationen wurden drastisch gekürzt, insbesondere für als „unwert“ angesehene Patienten.
  • Patienten wurden bewusst verhungern gelassen, eine der Hauptmethoden der „stillen Euthanasie“.
  • Berichte zeigen, dass viele Menschen in wenigen Wochen durch Mangelernährung starben.

c) Misshandlungen und medizinische „Versuche“

  • Patienten wurden oft fixiert, geschlagen oder mit Medikamenten ruhiggestellt.
  • Experimente mit neuen Medikamenten oder Mangelernährung wurden an Insassen durchgeführt.
  • In der Kinderabteilung (Spiegelgrund) gab es Fälle, in denen Kindern Apomorphin zur „Bestrafung“ verabreicht wurde.
  • Pathologische Untersuchungen: Nach dem Tod vieler Kinder wurden deren Gehirne entnommen und für pseudowissenschaftliche Forschungen verwendet. Der Neurologe Dr. Heinrich Gross setzte diese Untersuchungen auch nach dem Krieg fort und publizierte zahlreiche Arbeiten basierend auf diesem Material.

3. Deportationen und Ermordungen („Aktion T4“ und „wilde Euthanasie“)

  • Von 1940 bis 1945 wurden Tausende Patienten von „Am Steinhof“ deportiert und ermordet.
  • Viele wurden in Gaskammern von Schloss Hartheim (Oberösterreich) getötet.
  • Später wurden viele Opfer direkt in der Anstalt durch Medikamente oder Hunger getötet.

Selektionsprozesse: Wer wurde deportiert oder ermordet?

  • Patienten mit schweren geistigen oder körperlichen Behinderungen.
  • Menschen, die als „asozial“ galten (z. B. obdachlose oder verhaltensauffällige Personen).
  • Kinder mit Entwicklungsstörungen oder Behinderungen.

 

Der „Gaswagen“ am Steinhof

Der „Gaswagen“ am Steinhof bezieht sich auf die nationalsozialistischen Euthanasieverbrechen im Otto-Wagner-Spital (damals Heil- und Pflegeanstalt „Am Steinhof“) in Wien während der NS-Zeit. .


1. Hintergrund: „Aktion T4“ und Euthanasieverbrechen am Steinhof

Die „Aktion T4“ war ein von den Nationalsozialisten durchgeführtes Programm zur „Vernichtung lebensunwerten Lebens“, das zwischen 1940 und 1941 offiziell lief, aber inoffiziell bis 1945 fortgesetzt wurde. Es richtete sich gegen psychisch Kranke, Behinderte und sozial als „unwert“ betrachtete Personen.

In der Heil- und Pflegeanstalt Am Steinhof, einer der größten psychiatrischen Kliniken Europas, wurden viele Patienten Opfer dieser Verbrechen.


2. Der „Gaswagen“ am Steinhof

Der Begriff „Gaswagen“ bezieht sich auf mobile Tötungsmethoden, die die Nazis entwickelten, um „unerwünschte“ Personen unauffällig zu ermorden.

Funktionsweise des Gaswagens:

  • Der Gaswagen war ein speziell umgebauter Lastwagen mit einem luftdicht verschlossenen Laderaum.
  • Das Fahrzeug wurde mit Kohlenmonoxid (CO) oder Motorabgasen gefüllt.
  • Patienten wurden unter dem Vorwand einer „Verlegung“ in den Wagen gebracht.
  • Während der Fahrt wurden die Opfer durch die giftigen Gase erstickt.
  • Die Leichen wurden anschließend in Krematorien verbrannt oder in Massengräbern verscharrt.

3. Deportationen und Morde in Schloss Hartheim

  • Viele Patienten des Steinhof wurden nach Schloss Hartheim (Oberösterreich) deportiert, wo sie in Gaskammern ermordet wurden.
  • Auch Kinder aus der Kinderfachabteilung „Am Spiegelgrund“ (auf dem Gelände des Steinhofs) wurden Opfer dieser Verbrechen.
  • Offizielle Diagnosen wie „Lungenentzündung“ dienten als Tarnung für die Ermordung der Patienten.

Pavillon 15 am Steinhof: „Kinderabteilung“ 

Pavillon 15 der Heil- und Pflegeanstalt „Am Steinhof“ (heute Otto-Wagner-Spital) war während der Zeit des Nationalsozialismus ein zentraler Ort der Kinder-Euthanasie im Rahmen der sogenannten „Kinderfachabteilung“ des Spiegelgrunds. Neben der gezielten Ermordung von Kindern durch Medikamente, Vernachlässigung und Unterernährung wurde auch Apomorphin zur Disziplinierung missbrauchter Kinder eingesetzt.


1. Die „Kinderfachabteilung“ im Pavillon 15 – Ort der NS-Euthanasie

Während der NS-Zeit wurden in der Heil- und Pflegeanstalt „Am Steinhof“ psychisch kranke, behinderte und als „unerwünscht“ geltende Kinder systematisch ermordet.

  • Pavillon 15 war die zentrale Kinderabteilung, in der Experimente und gezielte Tötungen durchgeführt wurden.
  • Leitung: Einer der Hauptverantwortlichen war Dr. Ernst Illing, der dort als ärztlicher Leiter der Kinderabteilung fungierte.
  • Ziel: Kinder mit geistigen und körperlichen Behinderungen wurden für „nicht lebenswert“ erklärt und unter dem Vorwand medizinischer Versorgung getötet.
  • Methoden der Ermordung:
    • Verabreichung von Luminal (Barbiturate) – Führte langsam zum Tod durch Atemdepression.
    • Unterernährung – Viele Kinder wurden gezielt verhungern gelassen.
    • Tötung durch Injektionen – Morphium, Skopolamin oder andere Substanzen führten zu tödlichem Organversagen.

Viele dieser Kinder wurden nach dem Tod pathologisch untersucht, ihre Gehirne entnommen und für pseudowissenschaftliche Forschungen konserviert.


2. Der Einsatz von Apomorphin zur „Disziplinierung“

Apomorphin ist ein Dopaminagonist, der starkes Erbrechen auslöst. In der NS-Medizin wurde es als „Bestrafungsdroge“ missbraucht, insbesondere bei Kindern im Spiegelgrund.

Wie wurde Apomorphin im Pavillon 15 eingesetzt?

  • Kinder, die „auffällig“ oder „ungehorsam“ waren, wurden mit Apomorphin „therapiert“.
  • Die Injektionen oder orale Verabreichung lösten starke Übelkeit und Erbrechen aus.
  • Ziel war es, den Willen der Kinder zu brechen und sie gefügig zu machen.
  • Kinder, die sich nicht „anpassten“, wurden weiter misshandelt oder schließlich getötet.

Dieser Einsatz von Apomorphin war keine medizinische Maßnahme, sondern eine bewusste Quälerei mit dem Ziel der psychischen und physischen Unterdrückung.


3. Nachkriegsaufarbeitung 

Nach 1945 wurde der Spiegelgrund zu einem Symbol der NS-Verbrechen in Wien.

  • Dr. Ernst Illing wurde 1946 zum Tode verurteilt und hingerichtet.
  • Die Verbrechen im Pavillon 15 wurden lange verdrängt, erst in den 2000er Jahren kam es zur intensiveren Aufarbeitung.

 

Epigenetische Folgen von Trauma und Vernachlässigung: DNA- und Histon-Methylierung bei Opfern der NS-Zwangsunterbringung „Am Steinhof“

Die systematische Zwangsunterbringung, Vernachlässigung, medizinische Misshandlung und Ermordung psychisch Kranker und behinderter Menschen in der Heil- und Pflegeanstalt „Am Steinhof“ während der NS-Zeit hatte nicht nur fatale unmittelbare Auswirkungen auf die Opfer, sondern hatten auch epigenetische Spuren hinterlassen, die an nachfolgende Generationen weitergegeben wurden.

Epigenetische Mechanismen wie DNA-Methylierung und Histon-Modifikationen spielen eine entscheidende Rolle bei der Stressantwort und Traumaverarbeitung. Studien zeigen, dass extreme psychische Belastungen und Misshandlungen tiefgreifende Veränderungen in epigenetischen Markierungen hervorrufen können.


1. DNA-Methylierung und epigenetische Veränderungen nach schwerem Trauma

DNA-Methylierung ist eine der bekanntesten epigenetischen Modifikationen, bei der Cytosin-Basen in CpG-Dinukleotiden methyliert werden. Dies beeinflusst die Genexpression und kann dauerhaft veränderte Stressantworten hervorrufen.

Epigenetische Folgen bei Überlebenden von NS-Traumata

Studien an Überlebenden des Holocaust und deren Nachkommen zeigen:

  • Hypermethylierung des NR3C1-Gens (Glukokortikoid-Rezeptor):
    • Führt zu einer reduzierten Stresstoleranz.
    • Chronisch-überaktive HPA-Achse (Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse) mit Cortisolerhöhung, MAO-Überexpression und Anstieg der ROS-Belastung.
  • Hypomethylierung von FKBP5 (Stress-Regulationsprotein):
    • Verstärkte Stressreaktion und Anfälligkeit für PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung).
  • Veränderte DNA-Methylierung im BDNF-Gen (Brain-Derived Neurotrophic Factor):
    • Kann zu neuronalen Entwicklungsstörungen, Depression und Angststörungen führen.
  • Methylierungsveränderungen an Genen für Immun- und Entzündungsreaktionen:
    • Erhöhte Anfälligkeit für Autoimmunerkrankungen und chronische Entzündungen.

Bedeutung für Opfer von „Am Steinhof“:
Menschen, die dort zwangsuntergebracht wurden, waren schwerem Stress, Misshandlung und Vernachlässigung ausgesetzt. Ähnliche epigenetische Veränderungen wie bei Holocaust-Überlebenden könnten auch bei Überlebenden von NS-Euthanasieverbrechen aufgetreten sein.


2. Histon-Modifikationen und langfristige epigenetische Veränderungen

Neben der DNA-Methylierung spielen auch Histon-Modifikationen eine Rolle bei der Genregulation. Besonders relevant sind:

  • H3K9me3 (Trimethylierung an Histon 3, Lysin 9):
    • Verknüpft mit langfristiger Stressresistenz.
    • Bei starkem Trauma kann H3K9me3 in Stressgenen (z. B. CRH) verstärkt werden, was eine chronische Überaktivierung der Stressachse mit Cortisolerhöhung, MAO-Überexpression und Anstieg der ROS-Belastung bewirken kann.
  • H3K27me3 (Trimethylierung an Histon 3, Lysin 27):
    • Führt zur Stilllegung von Genen, die mit neuronaler Plastizität zusammenhängen.
    • Kann zu kognitiven Einschränkungen und Depressionen beitragen.
  • Acetylierungsmuster von H3K9/H4K12:
    • Beeinflusst die Lern- und Gedächtnisfunktionen.
    • Trauma kann zu einer reduzierten Histonacetylierung in Hippocampus-assoziierten Genen führen.

Bedeutung für Überlebende von „Am Steinhof“:
Histon-Modifikationen können durch extremen Stress und Misshandlung langfristige neurologische Folgen haben, z. B. Gedächtnisstörungen, emotionale Dysregulation und Anfälligkeit für Depressionen.


3. Transgenerationale Weitergabe epigenetischer Veränderungen

Ein beunruhigender Aspekt von epigenetischen Veränderungen ist, dass sie über Generationen hinweg vererbt werden können.

  • Studien an Nachkommen von Holocaust-Überlebenden zeigten veränderte DNA-Methylierungsmuster im Stresshormon-Regulationssystem mit Cortisolerhöhung, MAO-Überexpression und Anstieg der ROS-Belastung.
  • Kinder von Müttern mit extremer psychischer Belastung während der Schwangerschaft weisen oft veränderte epigenetische Marker in Genen für Stressregulation und Immunantwort auf.

Mögliche Relevanz für Nachkommen von Opfern der NS-Euthanasie:

  • Falls Überlebende von „Am Steinhof“ Kinder hatten, könnten epigenetische Veränderungen an die nächste Generation weitergegeben worden sein.
  • Dies kann zu einer erhöhten Anfälligkeit für psychische Erkrankungen (Depression, Angst, PTBS) und Stoffwechselerkrankungen führen.

4. Wissenschaftliche Studien und epigenetische Forschung zu NS-Traumata

Mehrere Studien haben sich mit den epigenetischen Langzeitfolgen von Holocaust-Überlebenden und anderen NS-Opfern befasst:

Die meisten bekannten Forschungen in diesem Bereich stammen von internationalen Teams, insbesondere unter der Leitung von Rachel Yehuda am Mount Sinai Hospital in New York und Elisabeth Binder am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München.

  • Yehuda et al. (2016): Zeigten, dass Holocaust-Überlebende eine veränderte NR3C1-Methylierung aufwiesen, die auch bei ihren Kindern nachweisbar war.
  • Roth et al. (2014): Demonstrierten, dass epigenetische Veränderungen durch Vernachlässigung in der Kindheit langfristige Effekte auf die HPA-Achse und das Immunsystem haben können.

5. Fazit: Epigenetische Folgen der NS-Verbrechen in „Am Steinhof“

Kurzfassung der epigenetischen Veränderungen:

Epigenetischer Mechanismus Folgen für die Opfer Mögliche transgenerationale Effekte
Hypermethylierung von NR3C1 Stärkere Stressanfälligkeit, PTBS Erhöhte Stressempfindlichkeit der Nachkommen
Hypomethylierung von FKBP5 Überaktive Stressreaktion, Angststörungen Veränderte HPA-Achsen-Regulation bei Kindern
H3K9me3-Erhöhung Chronische Überaktivierung der Stresshormone Erhöhte Anfälligkeit für Depressionen
H3K27me3-Erhöhung Kognitive Einschränkungen, emotionale Dysregulation Beeinträchtigung der neuronalen Plastizität

Erinnerung und Aufarbeitung

Heute erinnern mehrere Gedenkstätten und Mahnmale an die Opfer:

  • Gedenkstätte am Otto-Wagner-Spital (Steinhof) für die Opfer der NS-Euthanasie.
  • Gedenkstätte Spiegelgrund, die an die ermordeten Kinder erinnert.
  • Mahnmal in Schloss Hartheim, wo viele Opfer ermordet wurden.

Die Verbrechen in der Heil- und Pflegeanstalt „Am Steinhof“ sind ein düsteres Kapitel der NS-Medizinverbrechen, das lange verschwiegen wurde, aber heute in der historischen Forschung und Gedenkkultur eine wichtige Rolle spielt.

Epigenetische Mechanismen zeigen, dass NS-Verbrechen nicht nur historische, sondern auch molekulare Spuren hinterlassen haben, die möglicherweise bis in heutige Generationen weiterwirken.

Gedenken bedeutet nicht nur historisches Erinnern, sondern auch wissenschaftliches Verstehen der biologischen Langzeitfolgen dieser Verbrechen.

Ihr

Eduard Rappold

Dr. Eduard Rappold, MSc ist ein erfahrener Forscher und Arzt, der sich seit Jahrzehnten für geriatrische PatientInnen einsetzt. In seinem Bemühen für Alzheimer-Erkrankte eine immer bessere Versorgung zu ermöglichen, wurde er 2003 mit dem Gesundheitspreis der Stadt Wien für das Ernährungszustandsmonitoring von Alzheimer-Kranken ausgezeichnet. Im Zuge seines Masterstudiums der Geriatrie hat er seine Entwicklung des Epigenetic Brain Protector wissenschaftlich fundiert und empirisch überprüft. Im September 2015 gründete er NUGENIS, ein Unternehmen, mit dem er Wissenschaft und Anwendung zusammenbringen möchte. Damit können Menschen unmittelbar von den Ergebnissen der Angewandten Epigenetik für ihre Gesundheit profitieren. Mit dem Epigenetic Brain Protector hat Dr. Eduard Rappold, MSc bereits für internationales Aufsehen gesorgt – auf der international wichtigsten Innovationsmesse, der iENA, wurde er 2015 mit einer Goldmedaille für hervorragende Leistungen zum Schutz vor Neurodegeneration ausgezeichnet. Auf den Webseiten nugenis.eu, epigenetik.at, spermidine-soyup.com und facebook.com/nugenis können Themen zur Epigenetik und Aktuelles nachgelesen werden.