Nicht-codierende RNA (ncRNA) und die RNA-Welt-Hypothese

Lange galt nur das als biologisch bedeutsam, was Proteine erzeugt – der Rest der DNA wurde als „Junk-DNA“ abgetan. Doch dieses Bild hat sich grundlegend gewandelt. Heute wissen wir: Der überwiegende Teil unseres Genoms codiert zwar nicht für Proteine, ist aber keineswegs funktionslos. Im Gegenteil – nicht-codierende RNAs (ncRNAs) übernehmen zentrale Aufgaben in der Genregulation, Zellstruktur und sogar in der Abwehr von Krankheitserregern. Dieser Beitrag beleuchtet, wie wenig unserer DNA tatsächlich codiert, welche Vielfalt und Funktionen ncRNAs besitzen – und warum sie möglicherweise der Schlüssel zur Entstehung des Lebens selbst waren.

Das Verhältnis zwischen codierender DNA (die für Proteine kodiert) und nicht-codierender RNA (ncRNA) ist ein zentrales Thema der modernen Genomforschung – und es zeigt: Die klassische Vorstellung von „DNA macht RNA macht Protein“ greift viel zu kurz.


Wie viel der DNA ist eigentlich codierend?

Kategorie Anteil am menschlichen Genom
Proteincodierende Sequenzen ~1,5 %
Nicht-codierende DNA ~98,5 %

Von den rund 3 Milliarden Basenpaaren des menschlichen Genoms kodieren nur ~20.000 Gene tatsächlich für Proteine.

Was passiert mit der „restlichen“ DNA?

Früher als „Junk-DNA“ bezeichnet, weiß man heute:

  • Ein großer Teil der nicht-codierenden DNA wird transkribiert.

  • Es entstehen zahlreiche ncRNAs, die nicht in Proteine übersetzt werden, aber regulatorisch, strukturell oder katalytisch aktiv sind.


Typen und Funktionen von ncRNA

ncRNA-Typ Funktion
miRNA Posttranskriptionelle Genregulation (Silencing)
siRNA Abwehr gegen Viren, Gen-Silencing
lncRNA Epigenetik, Chromatinstruktur, Transkriptionsregulation
snRNA/snoRNA Splicing, Modifikation anderer RNAs
rRNA Ribosomenstruktur und katalytische Aktivität
tRNA Translation (Aminosäuretransport)
piRNA Schutz vor transposonaler Aktivität in Keimbahnen

Verhältnis codierende vs. ncRNA:

Anteil an der Transkription:

  • Nur etwa 1–2 % der RNA im Zellkern ist mRNA (= codierend).

  • Der Rest (~98–99 %) sind ncRNAs!

Beispiel:

  • In einer menschlichen Zelle könnten >100.000 verschiedene ncRNA-Typen aktiv sein – weit mehr als Protein-codierende Gene.


Warum ist das wichtig?

  1. Genregulation: ncRNAs regulieren, wann, wo und wie stark Gene exprimiert werden.

  2. Komplexität: Die Komplexität eines Organismus korreliert nicht mit der Zahl der Protein-codierenden Gene, sondern mit der Menge an regulatorischen ncRNAs.

  3. Erkrankungen: Fehlregulation von ncRNAs ist mit Krebs, Neurodegeneration, Autoimmunerkrankungen u. a. assoziiert.


Zusammenfassung

Eigenschaft codierende DNA / mRNA nicht-codierende RNA (ncRNA)
Anteil an der DNA ~1,5 % ~98,5 %
Anteil an RNA-Transkripten ~1–2 % ~98–99 %
Funktion Proteinsynthese Genregulation, Struktur, Schutz
Anzahl bekannter Gene ~20.000 >100.000 ncRNAs (schätzungsweise)

 

RNA als Schlüsselelement bei der Entstehung des Lebens

Die nicht-kodierende RNA (ncRNA) spielt nicht nur heute eine zentrale Rolle in der Genregulation, sondern wird auch als Schlüsselelement bei der Entstehung des Lebens betrachtet – insbesondere im Rahmen der sogenannten RNA-Welt-Hypothese. Hier ist ein klarer Überblick über diese faszinierende Verbindung:

 Die RNA-Welt-Hypothese

Diese Hypothese geht davon aus, dass:

  1. RNA das erste selbstreplizierende Molekül war
  2. RNA sowohl Informationsträger (wie DNA) als auch katalytisch aktiv (wie Proteine) sein konnte

 

In dieser frühen Phase vor ca. 4 Mrd. Jahren hätte RNA gleichzeitig als:

  • Genetisches Material (Speicherung von Informationen)
  • Enzym (sogenannte Ribozyme, z. B. selbstspleißende RNA)
    fungiert – bevor DNA und Proteine entstanden.

Welche Rolle spielten ncRNAs in dieser Frühzeit?

  • Ribozyme (eine Form von ncRNA) konnten:
    • RNA schneiden und ligieren
    • Aminosäuren an RNA binden
    • erste primitive Peptidbindungen katalysieren
  • tRNA-ähnliche Strukturen könnten zur Entstehung des genetischen Codes beigetragen haben
  • rRNA (ribosomale RNA) ist bis heute das aktive Zentrum der Proteinbiosynthese – nicht das Ribosomenprotein!

Das deutet darauf hin, dass zentrale zelluläre Funktionen nicht auf Proteine, sondern auf RNA zurückgehen.

 Bedeutung für die heutige Biologie und Evolution

  • Die Tatsache, dass z. B. das Ribosom RNA-basiert katalytisch aktiv ist, gilt als evolutionäres Relikt der RNA-Welt.
  • Viele ncRNAs übernehmen heute regulatorische Rollen, ähnlich wie sie es in frühen Lebensformen getan haben könnten.
  • Moderne lncRNAs beeinflussen die Genexpression und Zellidentität – ähnlich wie frühe RNAs eventuell primitive Regulation ermöglichten.

 

Aspekt Rolle der ncRNA
Ursprüngliche Replikation RNA könnte sich selbst repliziert haben
Katalytische Aktivität Ribozyme als frühe Enzyme
Entwicklung des genetischen Codes tRNA-ähnliche Strukturen als Vorläufer
Moderne Zellfunktionen rRNA im Ribosom, miRNA/lncRNA in Genregulation
Evolutionärer Beweis Konservierte RNA-Strukturen als Zeugnisse der RNA-Welt

 

Die klassische Vorstellung von „DNA macht RNA macht Protein“ greift deutlich zu kurz. Nur rund 1,5 % unseres Genoms codiert tatsächlich für Proteine – der weitaus größere Teil besteht aus nicht-codierender DNA, die zu funktionellen ncRNAs transkribiert wird. Diese übernehmen zentrale Rollen in der Genregulation, Zellstruktur und evolutionären Entwicklung. ncRNAs wie miRNA, lncRNA oder rRNA sind keine genetischen Randnotizen, sondern fundamentale Akteure in Gesundheit, Entwicklung und Krankheit. Auch die Ursprünge des Lebens könnten eng mit ncRNA verbunden sein – wie die RNA-Welt-Hypothese vermuten lässt. Wer die Sprache der Zellen verstehen will, muss ncRNA verstehen.

Ihr

Eduard Rappold

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Dr. Eduard Rappold, MSc ist ein erfahrener Forscher und Arzt, der sich seit Jahrzehnten für geriatrische PatientInnen einsetzt. In seinem Bemühen für Alzheimer-Erkrankte eine immer bessere Versorgung zu ermöglichen, wurde er 2003 mit dem Gesundheitspreis der Stadt Wien für das Ernährungszustandsmonitoring von Alzheimer-Kranken ausgezeichnet. Im Zuge seines Masterstudiums der Geriatrie hat er seine Entwicklung des Epigenetic Brain Protector wissenschaftlich fundiert und empirisch überprüft. Im September 2015 gründete er NUGENIS, ein Unternehmen, mit dem er Wissenschaft und Anwendung zusammenbringen möchte. Damit können Menschen unmittelbar von den Ergebnissen der Angewandten Epigenetik für ihre Gesundheit profitieren. Mit dem Epigenetic Brain Protector hat Dr. Eduard Rappold, MSc bereits für internationales Aufsehen gesorgt – auf der international wichtigsten Innovationsmesse, der iENA, wurde er 2015 mit einer Goldmedaille für hervorragende Leistungen zum Schutz vor Neurodegeneration ausgezeichnet. Auf den Webseiten nugenis.eu, epigenetik.at, spermidine-soyup.com und facebook.com/nugenis können Themen zur Epigenetik und Aktuelles nachgelesen werden.